Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Nach dem Ende des Apartheidregimes im Jahr 1994 verabschiedete Südafrika 1996 eine Verfassung, die alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Diskriminierung aus Gründen der Religion, verbietet (Artikel 9, 2-5).
Laut Artikel 15 (1) hat „jedermann das Recht auf Gewissens-, Religions-, Gedanken-, Glaubens- und Meinungsfreiheit“. In Artikel 15 (2) heißt es: „Religiöse Handlungen können in staatlichen oder staatlich geförderten Einrichtungen durchgeführt werden, sofern diese Handlungen gemäß den von den zuständigen Behörden erlassenen Vorschriften erfolgen, in angemessener Weise durchgeführt werden und die Teilnahme an ihnen kostenlos und freiwillig ist.“
Artikel 15 (3a) erkennt „alle Ehen an, die gemäß einer Tradition oder eines Systems des Religions-, Personen- oder Familienrechts geschlossen wurden“. Ferner werden „Systeme des Personen- und Familienrechts, die einer Tradition unterliegen oder von Personen, die sich zu einer bestimmten Religion bekennen, eingehalten werden“, anerkannt. Dieser Punkt hat das südafrikanische Parlament dazu veranlasst, den Geltungsbereich des Ehegesetzes zu erweitern.
1998 verabschiedete das Parlament das Gesetz über die Anerkennung von Gewohnheitsehen. Dieses lässt Polygamie zu, allerdings nur für „Bräuche und Gepflogenheiten, die unter den traditionellen afrikanischen Indigenen gepflegt werden“. 2006 wurde ein Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften verabschiedet, das gleichgeschlechtliche Ehen zulässt. 2020 wurde Artikel 6 des ursprünglichen Gesetzes aufgehoben, der es Standesbeamten erlaubte, eine Schließung gleichgeschlechtlicher Ehen aus Gründen des Gewissens, der Religion oder der Weltanschauung zu verweigern. 2010 wurde ein Gesetzentwurf über die muslimische Ehe vorgeschlagen, jedoch nie verabschiedet. Hiergegen wurde gerichtlich vorgegangen; der Fall ist noch nicht abgeschlossen.
Derzeit prüfen sowohl die South African Law Reform Commission (südafrikanische Rechtsreformkommission) als auch das Innenministerium Gesetzesvorschläge, die alle Formen der Ehe abdecken würden. Grund dafür ist, dass die mangelnde Anerkennung von religiösen Eheschließungen Probleme für Personen schafft, die eine Zivilehe aus religiösen Gründen ablehnen. Dies betrifft zum Beispiel Muslime, die die Zivilehe als unislamisch betrachten.
Personen, die eine religiöse Ehe eingehen, wird ein gewisses Maß an Schutz gewährt, wie in Bezug auf den Unterhalt im Falle des Todes eines Ehepartners, die gesetzliche Erbfolge, die Gütergemeinschaft und den Schutz vor häuslicher Gewalt.
Artikel 16 der Verfassung garantiert das Recht auf freie Meinungsäußerung. Explizit davon ausgenommen ist Hassrede „auf Grundlage der ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts oder der Religion, mit der zu Gewalttaten aufgestachelt wird“.
Zum Thema Religion im Unterricht schweigt sich die Verfassung weitgehend aus. Religionsunterricht an staatlichen Schulen ist erlaubt, aber nicht obligatorisch, und darf nicht nur die Sichtweisen einer einzelnen Religion widerspiegeln.
„Vorbehaltlich der Verfassung und aller anwendbaren Provinzgesetze“ erlaubt Artikel 7 des südafrikanischen Schulgesetzes religiöse Handlungen „an öffentlichen Schulen nach den von der Schulleitung erlassenen Vorschriften, wenn diese Handlungen in angemessener Weise durchgeführt werden und die Teilnahme der Schüler und des Personals kostenlos und freiwillig ist“.
In Artikel 29 (3) der Verfassung heißt es: „Jeder hat das Recht, auf eigene Kosten unabhängige Bildungseinrichtungen zu errichten und zu unterhalten, sofern diese nicht aufgrund ethnischer Herkunft diskriminieren.“ Entsprechende Einrichtungen müssen „staatlich registriert sein und Standards einhalten, die nicht hinter denen vergleichbarer öffentlicher Bildungseinrichtungen zurückstehen“. Absatz (3) schließt „staatliche Zuschüsse für freie Bildungseinrichtungen nicht aus“. Mit diesem Gesetz wurde es christlichen, islamischen und jüdischen Gruppen möglich, im ganzen Land eigene Schulen zu gründen.
Laut Artikel 31 (1, 5) haben Mitglieder von Religionsgemeinschaften das Recht, ihre Religion auszuüben und religiöse Vereinigungen zu gründen oder diesen beizutreten. Derselbe Artikel (1 und 2) besagt außerdem, dass niemandem das Recht verwehrt werden darf, „zusammen mit anderen Mitgliedern seiner Gemeinde die eigene Kultur zu leben, Religion zu praktizieren und Sprache zu nutzen“. Es steht den Menschen daher frei, „kulturelle, religiöse und sprachlich orientierte Vereinigungen und andere Organe der Zivilgesellschaft zu gründen, ihnen beizutreten und sie zu pflegen“, solange dies nicht „in einer Weise geschieht, die mit den Bestimmungen der Grundrechte unvereinbar ist“.
Die South African Human Rights Commission (Südafrikanische Menschenrechtskommission, SAHRC) ist damit betraut, „die konstitutionelle Demokratie“ zu unterstützen und „die Achtung sowie die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte eines jeden ohne Furcht oder Bevorzugung zu fördern“ – einschließlich der Religionsfreiheit. Gemeinsam mit den Gerichten ist die Kommission für die Verfolgung mutmaßlicher Rechtsverletzungen zuständig.
Religionsgemeinschaften sind nicht gesetzlich dazu verpflichtet, sich bei den Behörden registrieren zu lassen, können jedoch durch eine entsprechende Eintragung von Steuererleichterungen profitieren.
In Südafrika gibt es außerdem eine Commission for the Promotion and Protection of the Rights of Cultural, Religious and Linguistics Communities (Kommission für die Förderung und den Schutz der Rechte der kulturellen, religiösen und linguistischen Gemeinschaften), die sich aus Politikern, Geistlichen und Gelehrten zusammensetzt. Wie die SAHRC hat auch sie den Auftrag, „die konstitutionelle Demokratie“ zu schützen und „die Rechte der kulturellen, religiösen und linguistischen Gemeinschaften“ zu wahren, indem ihnen „Raum gegeben“ und gleichzeitig die „Einheit unter ihnen“ gefördert wird.
In Südafrika gibt es 12 gesetzliche Feiertage, darunter die zwei christlichen Feiertage Weihnachten und Karfreitag. Zwei weitere Feiertage, der Tag der Familie und der Tag des guten Willens, fallen auf den Ostermontag bzw. den zweiten Weihnachtsfeiertag. Darüber hinaus gibt es keine öffentlichen Feiertage mit religiösem Hintergrund. Die südafrikanische Rechtsreformkommission hat dies kritisiert und eine Änderung gefordert. Gleichzeitig fordern auch andere Minderheitengruppen, dass ihre wichtigsten Feiertage ebenfalls anerkannt werden.
Vorfälle und Entwicklungen
Das sozioökonomische Klima in Südafrika hat sich im Berichtszeitraum dramatisch verschlechtert – mit erheblichen Auswirkungen auf die Menschenrechte. Diverse religiöse Führer äußerten sich besorgt über diese Entwicklung.
Nach wie vor grassieren in Südafrika Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit. In den vergangenen Jahren haben exzessive öffentliche Ausgaben und Missmanagement bei staatlichen Unternehmen die Staatsverschuldung deutlich erhöht. Die Korruption hat die demokratischen Institutionen des Landes und die Glaubwürdigkeit der Regierungspartei, des African National Congress, weiter geschwächt. Nach Angaben des Weltwirtschaftsforums steuert Südafrika auf einen Staatskollaps zu. Diese prekäre sozioökonomische Lage hat zu einer Zunahme gesellschaftlicher Spannungen, Proteste und Gewalt geführt. So beklagten die Vereinten Nationen im Juli 2022 die explosionsartige Zunahme fremdenfeindlicher Gewalt und bezeichneten die soziale Ordnung in Südafrika als gefährdet.
Im Juli 2021 verurteilten die katholischen Bischöfe Südafrikas in einer gemeinsamen Erklärung die Gewalt. Sie forderten die Behörden auf, entschlossener gegen die Ungleichheit vorzugehen, und verlangten ein Umdenken von den Menschen in Südafrika. Wie die Bischöfe erklärten, könnten Gewalt und Zerstörung „nie eine gerechte Antwort auf die gegenwärtigen Nöte und die wirtschaftliche Ungerechtigkeit“ sein.
In all dem Chaos beobachtete der Kapstädter Erzbischof Stephen Brislin jedoch auch einige positive Entwicklungen: „Die Menschen kamen, um aufzuräumen, sensible Bereiche zu schützen und nach Antworten und Verständnis für das Geschehene zu suchen.“ Es gelte, solche Samenkörner der Hoffnung gemeinsam mit „anderen Menschen, die die Ursachen der Gewalt bekämpfen möchten“, zu nähren und die „Ungerechtigkeit anzuerkennen, die von Ungleichheit und Armut in unserem Land ausgeht“.
Am 5. August 2021 forderte Bischof Sithembele Sipuka aus Mthatha in seiner Eröffnungsansprache vor der Vollversammlung der Katholischen Bischofskonferenz des Südlichen Afrika (Southern African Catholic Bishops’ Conference, SACBC) ebenfalls Rechenschaft über die Gewalt und die Plünderungen.
Die Krise hat zu einer Zunahme von Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Gewalt gegen ausländische Staatsangehörige geführt. Angesichts der Arbeitslosenquote von rund 40 % und einer Jugendarbeitslosigkeit von 65 % sind Ausländer für viele Menschen zum Sündenbock geworden. Wirtschaftsmigranten, die nach Südafrika kommen, stammen hauptsächlich aus anderen afrikanischen Ländern oder aus Asien, viele von ihnen aus Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit wie Somalia, Bangladesch und Pakistan.
Am 6. Mai 2022 stellte die Katholische Bischofskonferenz des Südlichen Afrika (SACBC) ihre Leitlinien für die Seelsorge für Migranten und Geflüchtete vor. Diese Leitlinien seien „aus der Überlegung entstanden, wie die Kirche auf die Bedürfnisse der in unseren Diözesen lebenden Migranten und Geflüchteten eingehen kann“.
Im Juni 2022 erklärte das südafrikanische Verfassungsgericht einige Abschnitte des Ehegesetzes von 1961 und des Scheidungsgesetzes von 1979 für verfassungswidrig und stellte fest, dass das Versäumnis des Parlaments, muslimische Ehen im südafrikanischen Recht anzuerkennen, das verfassungsmäßige Recht muslimischer Frauen und Kinder auf Gleichheit, Würde und Gerechtigkeit verletze.
Am 8. August 2022 brachte die SACBC in einer Erklärung ihre Besorgnis über die „hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Lebenshaltungskosten“ zum Ausdruck, die „immer mehr Menschen in eine höhere Haushaltsverschuldung und tiefe Armut“ trieben. Die katholischen Bischöfe forderten die Regierung auf, „mehr und weitreichendere Maßnahmen zu ergreifen, um den Anstieg der Kraftstoff- und Lebensmittelpreise zu bekämpfen“ und etwas gegen die wirtschaftliche Ungleichheit zu unternehmen. Diese stelle „ein großes Risiko für das Wirtschaftswachstum und die nationale Sicherheit des Landes dar“ und bereite den „Boden, auf dem gewaltsame Unruhen und soziale Instabilität gedeihen könnten“.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Die südafrikanische Verfassung schützt die Religions- und Kultusfreiheit und verbietet die Diskriminierung aufgrund der Religion. Der Schutz der Religionsfreiheit im Land wird jedoch durch die allgemeinen wirtschaftlichen und juristischen Entwicklungen in der südafrikanischen Gesellschaft auf eine harte Probe gestellt.
Die Frage der muslimischen Ehe ist nach wie vor ungelöst; zumindest scheint sich hier aber eine Lösung anzubahnen. Besorgniserregender ist die vorgeschlagene Gesetzgebung zur Kriminalisierung von Hassrede (Prevention and Combating of Hate Crimes and Hate Speech Bill). Das Gesetz könnte, wenngleich es auch eine Ausnahmeklausel für Religionen enthält, Auswirkungen auf die Religionsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung haben. Insgesamt bleiben die Aussichten für die Religionsfreiheit in Südafrika jedoch positiv.