Die Verfassung der Demokratischen Republik Osttimor (Timor-Leste) orientiert sich an der Verfassung Portugals. In ihr sind die Gewissens-, die Religions- und die Kultusfreiheit sowie die Trennung von Kirche und Staat verankert. In der Verfassungspräambel bekräftigt der Staat seine Entschlossenheit, „alle Formen von Tyrannei, Unterdrückung, sozialer, kultureller oder religiöser Vorherrschaft und Segregation zu bekämpfen, die nationale Unabhängigkeit zu verteidigen sowie die Menschenrechte und Grundrechte der Bürger zu achten und zu garantieren“.
Artikel 12, Absatz 1 der Verfassung legt fest: „Der Staat erkennt die verschiedenen Glaubensrichtungen an und respektiert diese. Die Glaubensgemeinschaften können ihre Tätigkeit unter Einhaltung der Verfassung und der geltenden Gesetze frei organisieren und ausüben.“ In Absatz 2 heißt es weiter: „Der Staat fördert die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Glaubensrichtungen, die zum Wohlergehen des Volkes von Osttimor beitragen.“ Artikel 16, Absatz 2 sieht vor, dass niemand aufgrund seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert werden darf.
Das Strafgesetzbuch von Osttimor spiegelt diese verfassungsrechtlichen Bestimmungen wider. So bezeichnet Artikel 124 die „Verfolgung von bestimmten Gruppen und Gemeinschaften aufgrund von Politik, Ethnie, Nationalität, Kultur, Religion, Geschlecht oder sonstigen nach dem Völkerrecht inakzeptablen Gründen im Sinne eines völkerrechtswidrigen Entzugs von Grundrechten“ als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Trotz der Trennung von Kirche und Staat wird in der Präambel der Verfassung erklärt: „Die Katholische Kirche von Osttimor hat es mit ihrer kulturellen und humanen Sichtweise immer verstanden, das Leiden aller Menschen mit Würde anzunehmen und sich bei der Verteidigung grundlegender Rechte an die Seite dieser Menschen zu stellen.“ Gemäß Artikel 11, Absatz 2 „würdigt und schätzt der Staat den Beitrag, den die Katholische Kirche bei der Erlangung der Unabhängigkeit von Osttimor geleistet hat“.
Die katholischen, protestantischen und muslimischen Oberhäupter des Landes sind dafür bekannt, dass sie zusammenarbeiten und friedliche und konstruktive Beziehungen zwischen den Religionsgemeinschaften fördern.
Die kleine muslimische Gemeinschaft, die in Osttimor nach dem Rückzug Indonesiens verblieben ist, verzeichnet in den letzten Jahren kontinuierlich einen weiteren Rückgang. Die meisten Muslime waren während der Besetzung Osttimors dorthin von der indonesischen Regierung als Einwanderer umgesiedelt worden. Nachdem das Land seine Unabhängigkeit erlangte, verließen es die meisten wieder.
Das am 14. August 2015 unterzeichnete Konkordat zwischen Osttimor und dem Heiligen Stuhl wird schrittweise umgesetzt. Dazu reiste Pietro Kardinal Parolin, der Staatssekretär des Heiligen Stuhles, nach Osttimor und feierte den 500. Jahrestag der Katholischen Kirche im Land. Parolin zufolge wolle man mit dem Konkordat „die Zusammenarbeit für eine ganzheitliche Entwicklung der Menschen unter Gewährleistung der Gerechtigkeit, des Friedens und Gemeinwohls stärken“. In der Praxis regelt das Konkordat den Handlungsspielraum der Katholischen Kirche bei der Erbringung von Diensten, darunter die Seelsorge in Gefängnissen, Krankenhäusern oder Waisenhäusern, den Unterhalt von Wohltätigkeitsorganisationen oder die Organisation von Bildungsmaßnahmen. Der Staat seinerseits vergibt Subventionen an die Katholische Kirche.
Generell sind Verstöße gegen die Religionsfreiheit in Osttimor selten und geringfügig. Im Berichtszeitraum wurden keine gravierenden Vorfälle oder Entwicklungen gemeldet, die mit einer Verletzung der Religionsfreiheit direkt in Verbindung standen.
Allerdings handelt es sich bei Osttimor um einen jungen Staat mit vergleichsweise wenig ausgereiften rechtlichen und politischen Institutionen. Die Lage im Land, das seine Unabhängigkeit erst 2002 erlangte und dessen Bevölkerung zu einem großen Anteil aus jungen Menschen besteht, bleibt weiterhin fragil.
Am 26. Januar 2018 löste Staatspräsident Francisco Guterres das Parlament auf, nachdem die Oppositionsparteien den Haushaltsvorschlag abgelehnt hatten. Im Juni 2018 wurde der ehemalige Staatspräsident Taur Matan Ruak zum Premierminister ernannt. Die friedliche Machtübergabe zeigte die Bereitschaft der politischen Parteien, den Wählerwillen zu respektieren.
Trotz erheblicher politischer Streitigkeiten, die teilweise mit einem geplanten Erdöl- und Erdgasprojekt und den Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie zusammenhingen, blieb Premierminister Ruak Ende 2020 im Amt. Er gilt als einer der wichtigsten Verbündeten der Katholischen Kirche im Land.
Einige Menschen befürchten, dass die Kirche als Verfechter von Moral und politischen Reformen immer weniger ausrichten kann. Einem Laienaktivisten der Legion Mariens und der Charismatischen Bewegung zufolge, bestehe die Katholische Kirche in Osttimor nur dem Namen nach. Priester aus allen Diözesen des Landes würden beklagen, dass die Menschen nur dem Papier und nicht dem Verhalten nach Katholiken seien. Viele Beamte der Regierung seien korrupt und davon seien die Legislative, Exekutive und Judikative gleichermaßen betroffen. Auch in der Polizei und der Armee sei Korruption weit verbreitet”.
Es gibt keine Hinweise dafür, dass sich die Situation in Osttimor in Bezug auf die Religionsfreiheit in naher Zukunft ändern wird. Die Aussichten sind daher stabil.