Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Die überwiegende Mehrheit der algerischen Bevölkerung gehört dem sunnitischen Islam an. Einige Hundert Einheimische bekennen sich zum Judentum.Offiziell sind nahezu alle in Algerien lebenden Christen Ausländer; viele von ihnen stammen aus Subsahara-Afrika. Katholische Religionsgemeinschaften sind ebenso im Land vertreten wie protestantische. Unter den christlichen Gemeinschaften hat die Katholische Kirche die grösste Anhängerschaft; sie ist in vier Diözesen organisiert. Die evangelischen Gemeinschaften sind besonders in der Region Kabylei präsent. Insgesamt konvertieren in Algerien nur wenige Muslime zum Christentum; unter ihnen tritt die Mehrheit zu einer evangelischen Gemeinschaft über.In der Präambel der algerischen Verfassung wird der Islam als grundlegender Bestandteil der nationalen Identität beschrieben. In Artikel 2 ist der Islam als Staatsreligion verankert. Gemäss Artikel 10 ist es staatlichen Einrichtungen untersagt, in irgendeiner Weise entgegen der islamischen Moral zu handeln.In Artikel 87 ist festgelegt, dass nur ein Muslim Staatspräsident werden kann. Die Apostasie (Glaubensabfall) stellt nach algerischem Recht keinen Straftatbestand dar.Straftaten, die mit der Religion in Zusammenhang stehen, sind unter anderem in Artikel 144a (2) des algerischen Strafgesetzbuchs geregelt. Demzufolge wird ein jeder, der den Propheten Mohammed beleidigt oder das Dogma oder die Gebote des Islam in Wort, Schrift oder Bild oder auf andere Weise verunglimpft, mit einer Gefängnisstrafe zwischen drei und fünf Jahren und/oder einer Geldbusse zwischen 50.000 und 100.000 algerischen Dinar (ca. 424 – 849 CHF) bestraft.Darüber hinaus ist es Religionsgemeinschaften in Algerien zwar erlaubt, sich im Bereich der humanitären Arbeit zu engagieren; das Missionieren hingegen ist Nicht-Muslimen bei Strafe verboten: Ein jeder, „der einen Muslim anregt, nötigt oder dazu verführt, zu einer anderen Religion überzutreten, oder zu diesem Zweck Unterrichts-, Bildungs-, Gesundheitseinrichtungen, soziale oder kulturelle Einrichtungen, Ausbildungsstätten […] oder jegliche finanzielle Mittel nutzt“ wird mit einer Geldbusse und bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft.Im Jahr 2006 erliess Staatspräsident Abd al-Aziz Bouteflika die Verordnung 06/03, in der die Religionsausübung nichtmuslimischer Glaubensgemeinschaften geregelt ist. Gemäss dieser Verordnung ist bereits der Versuch, einen Muslim zu einer anderen Religion zu bekehren bzw. „den Glauben eines Muslims zu erschüttern“, verboten; der Religionswechsel als solcher ist allerdings nicht gesetzeswidrig. Nach Massgabe der Verordnung können Algerier für den Druck, die Lagerung oder die Verbreitung von Material, das der Bekehrung von Muslimen dient, mit einer Geldstrafe von bis zu einer Million Dinar (ca.8.400 CHF) und fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Christliche Literatur findet man daher selten in Algerien, und die Christen im Land fühlen sich nicht frei, christliche Bücher oder Schriften bei sich zu tragen.Alle Religionsgemeinschaften müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen, bevor sie ihre Tätigkeit aufnehmen dürfen. Versammeln dürfen sie sich nur an staatlich genehmigten Orten.Personenstandsangelegenheiten werden durch das Recht der Scharia geregelt. Nach algerischem Familienrecht darf ein muslimischer Mann eine andersgläubige Frau heiraten, sofern sie einer monotheistischen Religion angehört. Eine Muslimin darf einen andersgläubigen Mann nur heiraten, wenn der Mann zum Islam konvertiert. Kinder eines muslimischen Vaters werden ungeachtet des Glaubens der Mutter automatisch als Muslime betrachtet.Vorkommnisse
In dem vom Hilfswerk Open Doors veröffentlichten Weltverfolgungsindex (eine Liste der Länder, in denen es am schwierigsten ist, Christ zu sein), belegt Algerien 2018 Rang 42.Am 8. März 2018 wurden zwei Brüder, die im März 2015 verhaftet worden waren, weil sie Bibeln mit sich führten, bei ihrer Berufungsverhandlung zu je drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 100.000 Dinar (ca.949 CHF) verurteilt.Am 2. März 2018 erhielt eine Kirche, die seit mehr als sechs Jahren im Land aktiv war, eine offizielle Benachrichtigung, dass sie schliessen müsse. In den vorausgehenden Monaten waren drei zum Verband EPA gehörende Kirchen ebenfalls gezwungen worden zu schliessen.Im Dezember 2017 wurde Louis Martinez, der Mitglied der Französisch-reformierten Kirche ist, bei seiner Ankunft am Flughafen Oran abgeschoben. Eine offizielle Begründung wurde nicht geliefert; allerdings merkten führende algerische Kirchenvertreter an, dass „diese Abschiebung sich in ein breiteres Muster der Ablehnung von Visa für Besucher des Landes fügt, die der Kirche angehören; dies ist offenbar Teil einer Politik, mit der die algerischen Behörden die Fähigkeit algerischer Kirchen einschränken wollen, mit auswärtigen Einrichtungen zusammenzuarbeiten.“Im Juli 2017 wurde Slimane Bouhafs, der vom Islam zum Christentum übergetreten war, vom Präsidenten teilweise begnadigt. Bouhafs war ein Jahr zuvor verhaftet und angeklagt worden, in seinen Social-Media-Beiträgen „den Islam und den Propheten Mohammed beleidigt“ zu haben. Anlässlich des 55. Jahrestages der Unabhängigkeit Algeriens minderte Staatspräsident Bouteflika seine Strafe um 16 Monate.Im September 2017 wurde Mohamed Fali, der der sehr kleinen Gemeinschaft der Ahmadiyya in Algerien vorsteht, „der Beleidigung des Islam“ für schuldig befunden und nach Angaben seines Anwalts Salah Dabouz zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.In Algerien leben schätzungsweise 2.000 Ahmadi-Muslime; sie werden als Ketzer bezeichnet und sind in letzter Zeit häufig Opfer von Razzien der algerischen Behörden.Der algerische Minister für religiöse Angelegenheiten, Mohamed Aïssa, hat wiederholt verlauten lassen, dass die Ahmadi-Muslime in Algerien von „ausländischer Hand“ manipuliert würden, und ihre Führung bezichtigt, in eine Verschwörung mit Israel verwickelt zu sein. Darüber hinaus erklärte er, dass ihre Anwesenheit im Land Teil einer „bewussten sektiererischen Invasion“ sei und die Regierung beabsichtige, „dem Abweichen von religiösen Grundsätzen Einhalt zu gebieten.“ In einem Fernsehinterview im Februar 2017 sagte er, dass die Ahmadi-Muslime den Grundfesten des Islam Schaden zufügten.Perspektiven für die Religionsfreiheit
Die Verordnung 06/03 gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Des Weiteren wurde bei der Revision der Verfassung im Februar 2016 eine Gelegenheit verpasst. Artikel 2, in dem der Islam als Staatsreligion festgeschrieben ist, wurde nicht geändert.Der Präsident hatte eine Änderung von Artikel 36 befürwortet, mit der möglicherweise das Recht auf Religionsfreiheit – und auch das Recht, keine Religion auszuüben – ausdrücklich garantiert worden wäre. Der Änderungsvorschlag scheiterte allerdings am Widerstand konservativer Muslime.Der algerische katholische Erzbischof Paul Desfarges sagte, dass Christen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ihre Religion in Algerien frei und ungehindert ausüben könnten; anders sähe die Sache allerdings für zum Christentum übergetretene Muslime aus. Laut Msgr. Desfarges müssen Letztere zwar keine physischen Übergriffe fürchten, aber sie sind besorgt über gesellschaftlichen Druck und können benachteiligt werden, wenn es um Erbschaftsangelegenheiten geht. Die Katholische Kirche steht dem Gesetz, das die missionarische Tätigkeit unter Strafe stellt, kritisch gegenüber. Msgr. Desfarges monierte darüber hinaus den langwierigen Prozess bei der Ausstellung von Visa für Mitarbeiter nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften.Ferner herrscht Besorgnis angesichts der Aktivitäten der Terrormiliz Islamischer Staats im Nachbarland Libyen sowie weiterer islamistischer Gruppierungen, die in Algerien aktiv sind. Deren Präsenz hat negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Algerien und bringt zunehmende religiöse Spannungen mit sich.„Es herrscht Besorgnis angesichts der Aktivitäten der Terrormiliz Islamischer Staat im Nachbarland Libyen sowie weiterer islamistischer Gruppierungen, die in Algerien aktiv sind. Deren Präsenz hat negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Algerien und bringt zunehmende religiöse Spannungen mit sich.“